Mordreds Tales
© 2010 – 2025 Marcel Wolters







 

Religion ./. Kunst Az 47110815/12



Mitwirkende:

Bischof: der klageführende katholische Erzbischof von Sankt Hastenichgesehn. Er ist erzkonservativ, verbohrt und entbehrt jeden Humors

Schreiberling: der beklagte junge, aufstrebende Autor eines Geschichtenzyklus über Götter. Er hat nicht den Anspruch, dass man ihn und die Geschichten allzu ernst nimmt. Er will nur unterhalten.

Pope: der Heilige Vater himself. Papst Servus Dei I., frisch gewählter Nachfolger Petri und Bischof von Rom. Nachdem die Klage des Erzbischof von Sankt Hastenichgesehn tsunamiartige Wellen schlug und durch die internationale Presse ging, woraufhin die Geschichten in 28 Sprachen übersetzt und in 37 Ländern als Buch verkauft wurden, entschied der Papst bei der Verhandlung selbst anwesend zu sein. Servus Dei I. reiste dabei nicht im Flugzeug sondern incognito.

Richter: Seine Ehren Hermann von und zu Unglaube. Hermann von und zu Unglaube ist seit 22 Jahren 3 Monaten und 8 Tagen am Gericht tätig. Erselbst ist praktizierender Bürge Gottes.


Bischof: "... und so maßt sich dieser Schmierfink an, zu schreiben, was Gott ihm angeblich erzählt habe ..."

Schreiberling: (unterbricht den Bischof) "Warum heißt es Gebet, wenn jemand zu Gott spricht, und Psychose, wenn Gott mit jemandem redet?"

Bischof: (errötet zornig) "Schauen Sie sich diesen Mann an, Euer Ehren! Selbst hier vor diesem Gericht macht er mit seiner Blasphemie weiter!"

Richter: "Ja, ich sehe den jungen Mann."

Bischof: "Dieser Schmierfink verunglimpft meinen Glauben, er hetzt gegen die Kirche auf und zieht die Religion unseres Landes in den Schmutz."

Schreiberling: "So unterstellen Sie also, ich gehöre nicht diesem Land, diesem Volk, dieser Nation an?"

Bischof: (erneut zornig errötend) "Verdrehen Sie mir nicht meine Worte, Sie ... Sie ..."

Schreiberling: "Verdrehen? Sie sagten doch, ich ziehe die Religion dieses Landes in den Schmutz. Ich bin kein Christ. Heißt das Ihrer Meinung nach, ich würde diesem Lande nicht angehören?"

Bischof: "Das spielt doch keine Rolle!"

Schreiberling: (lächelnd) "Mit Verlaub: Doch!"

Bischof: "Welche Rolle soll das schon spielen? Euer Ehren ..."

Richter: "Ich höre den jungen Mann."

Schreiberling: "Euer Ehren, gestatten Sie, dass ich Seiner Exzellenz kurz Nachhilfe gebe, ist dieses Land doch keineswegs ein christlich Land. Vielmehr ist dieses Land religionsfrei."

Bischof: (unterbricht rüde den Schreiberling) "Wie können Sie es wagen ...?"

Schreiberling: "Nun, er täte gut daran, mich zuende zu hören. Denn mit religionsfrei meine ich keineswegs frei VON sondern frei IN der Religion. So ist nun Ihre Religion, Euer Exzellenz, nur eine unter vielen Glaubensrichtungen nebst diversen Ungläubigen, die sie auch gewähren lassen sollten. Denn so Sie erwarten, dass man Ihren Glauben nicht verunglimpft - zu recht, wie ich meine -, ist es nur recht und billig, verunglimpften Sie meinen Unglauben ebenso wenig."

Bischof: "Zuckersüße Worte, die der Teufel wählt, um den Gläubigen vom rechten Weg abzubringen!"

Schreiberling: "Was ist am linken Weg auszusetzen?"

Unter den im Gerichtssaal anwesenden erschallt Lachen.

Bischof: "Erst verulkt er Gott, jetzt mich! Das ist unerhört!"

Schreiberling: "Ich verulke Gott? Ja, wie das denn?"

Bischof: (erregt verlegen) "Ja ... also ... Sie ... Euer Ehren!"

Richter: "Wenn Sie sich erklären würden, Euer Exzellenz, könnte ich Ihnen zustimmen."

Bischof: "Dieser Mann schreibt im Namen Gottes. Er macht sich über Gott lustig, versetzt ihn ich vermeintlich komische Situationen. Sowas mit Gott zu tun ist nicht recht, es gehört verboten! Und dann die anderen, heidnischen Götter, die er zu Gott dem Allmächtigen gesellt ..."

Richter: "Was ist mit diesen anderen Göttern?"

Bischof: (konsterniert) "Wie ... Was ... Es GIBT NUR EINEN GOTT!"

Schreiberling: "Behaupten Sie!"

Bischof: "Es steht geschrieben!"

Schreiberling: "Wo?"

Bischof: "Im Buch der Bücher, in der Bibel!"

Der Richter und der Schreiberling nicken, Seine Ehren zustimmend, der junge Autor bedächtig.

Schreiberling: "Verzeihung, aber dieser Umstand erfordert genaue Aufklärung. Ich bin nicht sonderlich bibelfest. Wenn Sie mir kurz Nachhilfe geben würden ..."

Bischof: "Das ist wohl auch nötig!"

Schreiberling: "Wenn mich nicht alles täuscht, steht im ersten Gebot: Du sollst keinen Gott haben neben mir." (wendet sich ins Publikum) "Ist das richtig, Eure Heiligkeit?"

Pope: (blickt überrascht auf) "Ja, das ist richtig. Sie haben mich erkannt?"

Schreiberling: "Ihr seid nicht unbekannt genug, Eure Heiligkeit, um Euch zu übersehen. Würdet Ihr zustimmen, dass dieses Gebot die Existenz anderer Götter impliziert, dem Volke Israel und nachfolgend der Christenheit lediglich die Anbetung dieser Götter versagt ist?"

Pope: (blickt kurz nachdenklich auf seine Schuhspitzen) "Ja, das könnte man so sagen."

Schreiberling: (bedankt sich beim Popen und wendet sich wieder an Richter und Bischof) "So ist also der Beweis der Nichtexistenz anderer Götter offen. Und wenn es andere Götter gibt, warum soll es keine Interaktion geben? Das Tabu der Anbetung von Fremdgöttern gilt sicher auch für andere. Zeus wäre bestimmt nicht darauf erpicht, dass seine Anbeter auch Odin dienen."

Richter: (nickt zustimmend) "Das wäre geklärt."

Bischof: (in wilder Rage) "Das ist kein Grund, sich über Gott lustig zu machen!"

Schreiberling: "Eure Exzellenz, Euer Ehren, es sind Geschichten mit dem Ziel der Unterhaltung. Und wenn der eine oder andere dadurch zum Nachdenken gebracht wird, ist das in meinen Augen gut. Das Ergebnis des Nachdenkens spielt für mich erst einmal keine Rolle."

Bischof: "GOTT IST NICHT WITZIG!"

Der Richter wiegt den Kopf.

Schreiberling: (wendet sich wieder an den Popen) "Vielleicht könnt Ihr hier weiterhelfen, Eure Heiligkeit. Hat Gott Humor?"

Pope: "Ich bin nicht sicher. Gott erzählte mir noch keinen Witz. Da er aber noch nie zu mir sprach, kann ich es auch nicht glaubhaft abstreiten."

Bischof: "Aber ..."

Schreiberling: (an alle gewandt) "Wissen Sie, was ich mir gerade vorstelle? Ich stelle mir gerade vor, Gott beobachtet uns. Uns, hier, jetzt. In diesem Gerichtssaal. Und wissen Sie, was Gott gerade in diesem Augenblick tut? Er schüttelt den Kopf und lacht. Er lacht über uns dumme Menschen, die wir kleingeistig darüber streiten, was Gott wohl, obwohl niemand von uns auch nur wissen kann, was ein anderer Mensch denkt. An Gottes Gedanken gar nicht zu denken.

Gott lacht über mich und meine Einfältigkeit. Er sitzt hoch droben im Himmel und denkt: Warte, Freundchen, Dir werde ich helfen! Du fragst, ob ich Humor habe? Warte es ab, bis Du das nächste Mal Socken wäschst. Versuche, Deine Socken nach dem Waschen paarweise zusammenzulegen. Oder mache einen Plan! Dann wirst Du sehen, welch Humor ich besitze, kleiner Wicht.

Gott blickt auf Sie, Euer Exzellenz und das Lachen vergeht ihm. Woher, denkt er angestrengt, nimmt dieser Mensch eigentlich das Recht, zu sprechen, was für mich richtig ist? Er ist nicht der Papst! Komm mal zu mir vor die Tür, Bischof. Wird lustig.

Gott blickt auf Eure Heiligkeit und schmunzelt. Schön rausgeredet, murmelt er. Vielleicht hat Gott Humor, vielleicht nicht. Mit Nichtwissen zu prahlen ist immer noch besser, als Wissen vorzugeben.

Dann nimmt Gott die Zeitung von morgen zur Hand und liest den Bericht über diese Verhandlung. Wieder lacht er laut auf, denn Sie, Euer Exzellenz, vollbrachten, was mir allein nie gelungen wäre: Dass die ganze Welt meine Geschichten liest. Egal, welches Urteil heute gefällt wird, in dieser Tatsache steckt Ihre Niederlage.

Und nun Euer Ehren, bin ich bereit. Urteilen Sie, wie immer es Ihnen recht dünkt."

Richter: (überlegt kurz) "Ich urteile."

Ruhe breitet sich im Saal aus. Alle blicken gebannt auf den Richter, der ob dieser Aufmerksamkeit nervös auf seiner Lippe kaut. Der Bischof reibt sich erwartungsfroh die Hände, der Pope lächelt, der Schreiberling sitzt ruhig auf seinem Stuhl.

Richter: "Die Angelegenheit ist diffizil. Sehr wohl wird Gott hier mit sehr viel Witz, manchmal schon Albernheit behandelt. Doch sind es nur Geschichten. Würde jeder, der an irgendeinen Gott glaubt, gegen Geschichtenschreiber vorgehen, gäbe es wohl keine Geschichten mehr, denn niemand hätte mehr den Mut zu schreiben.

Dennoch kann ich nicht folgenlos lassen, was Sie taten, junger Mann. Ich verurteile Sie hiermit zum Verfassen mindestens fünf weiterer Geschichten. Ich erwarte hierbei, dass meine Rolle ebenso gewürdigt wird wie die des Bischofs."

Bischof: "Das ist unerhört die Kirche wird gegen dieses ..."

Pope: "Urteil nicht vorgehen. Es ist gerecht. Mit Ihrer Erlaubnis, verehrter Herr Schriftsteller, lasse ich Ihre Geschichten ins Latein übersetzen und dergestalt im Vatikanischen Verlag veröffentlichen. Denn Gott der Allmächtige, so glaube ich, steht über den Schriften der Menschen und sieht solch erfundenen Geschichten eher als Verbeugung eines Ungläubigen, denn als Affront. Und vermutlich sitzt er heute Abend zusammen mit Zeus und Odin im Raucherzimmer und lässt sich von seinen Engeln Ihre Geschichten vorlesen."

Vorhang


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