Mordreds Tales
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Der Küchenkauf

Herr Politis: Laut Google ist politis das griechische Wort für Verkäufer. Herr Politis ist, wie der Name schon sagt, Verkäufer im Hause Küchen-Herbert. Als 40jähriger entstammt er der Generation C64. Er ist mit den Anfängen der Heim- und Personalcomputer groß geworden und affin für alles Neue auf diesem Gebiet. Er hat gerade sein iPhone 4S für 'nen Apple und 'n i verkauft, weil er sich natürlich das iPhone 5 zulegen musste.

Herr Rudolf Nieß: Herr Rudolf Nieß, ein vermögender Mittfünfziger aus der Vorstadt, braucht eine neue Küche. Im Hause Küchen-Herbert hofft er, fündig zu werden. Herr Rudolf Nieß ist bei allem Wohlstand eher bodenständig geblieben, doch liebt er seine Gattin über alles und kann ihr kaum einen Wunsch abschlagen.

Frau Rudolf Nieß: die Gattin des Herrn Rudolf Nieß. Frau Nieß ist ob des Wohlstands nicht ganz so auf dem Parkett geblieben wie ihr Gatte, immer wieder sehr zu seinem Leidwesen. Doch gelingt es Frau Nieß auch wieder und wieder, Herrn Nieß um ihren Finger zu wickeln, ihn zu überreden, ihren Wunsch zu erfüllen, so dass man guten Gewissens von Frau und Herrn Margarethe Nieß statt Frau und Herr Rudolf Nieß sprechen könnte.

Herr Frank Salzberg: Herr Salzberg muss sich noch weniger Sorgen um das Geld machen als Familie Nieß. Herr Frank Salzberg hat gerade ein überaus erfolgreiches Internet-Startup gegründet und ist nun einige Millionen schwer. Herr Salzberg sucht ebenfalls eine Küche für sein neues Haus, denn die alte Küche nahm seine Freundin, Verzeihung, seine Ex-Freundin, die Herrn Frank Salzberg für zu engstirnig bezüglich des Wesens langzähniger Wesen der menschlichen Phantasie hält, mit.

Fräulein Ramona Koch: ist wie Herr Politis im Küchencenter angestellt. Sie braucht in der Küche einen Herd zum Kochen und einen Kühlschrank zum Kühlen. Und nur zu diesen Zwecken, weshalb sie großes Verständnis für Menschen hat, die mit ihrer Mikrowelle nicht fernsehen wollen.


1. Aufzug

Frau und Herr Rudolf Nieß stehen im Hause Küchen-Herbert, wo Herr Politis den Eheleuten verschiedene Küchenmodelle zeigt. Natürlich befragte Herr Politis die Eheleute nicht nach ihren Bedürfnissen. Es ist überhaupt nicht nötig, diese Frage zu stellen, denn ein guter Verkäufer weiß genau, was der Kunde will und braucht, besser sogar als der Kunde selbst.

Herr Politis: Ich glaube, ich habe hier genau das, was Sie brauchen.

Frau Rudolf Nieß: Oh, das wäre schön! Aber wir kaufen nicht jede Küche. Wir haben da schon unsere Vorstellungen.

Herr Politis: Natürlich haben Sie die. Aber glauben Sie mir, dieses Küche muss Ihnen einfach gefallen. Sie haben gar keine andere Wahl!

Herr Rudolf Nieß: Mir schwant schlimmes.

Herr Politis: Machen Sie sich keine Sorgen, mein Herr! Ich bin sicher, Sie werden die Küche kaufen. Ich glaube sogar, Sie werden von ihr begeistert sein. (weißt auf die vor ihm und seinen Kunden stehenden Küchenmöbel) Voila! Unser Top-Modell, das neueste vom Neuen,die modernste Küche der Welt: die Net Cuisine 3025.

Frau Rudolf Nieß: Nette Cousine?

Herr Politis: Net Cuisine. Cuisine ist das französicher Wort für Küche. Und Net bedeutet … Nun ja, es ist die erste vollvernetzte Küche der Welt. Exklusiv nur hier bei Küchen-Herbert. Schauen Sie hier! Ein Induktionsherd. Das ist die modernste Form des Kochens. Sie sparen Unmengen Strom und das Wasser ist in Nullkommanix heiß. Und das beste ist, dass Sie sich an der Herdplatte nicht verbrennen können. Die bleibt nämlich kalt.

Frau Rudols Nieß: Aber wie wird denn dann das Wasser heiß?

Herr Politis: Äh … In der Kochplatte wird ein Magnetfeld aufgebaut, das direkt im Topf Hitze erzeugt.

Frau Rudolf Nieß: Ah! Ein Magnetfeld!

Herr Rudolf Nieß: (hebt die Augenbraue)

Herr Politis: (blickt die Frau erwartungsfroh an)

Frau Rudolf Nieß: Verstehe ich nicht.

Herr Politis: Äh … Also es ist so …

Herr Rudolf Nieß: Ist doch egal, solange es funktioniert.

Frau Rudolf Nieß: Stimmt. Du hast wie immer Recht, lieber Rudolf.

Herr Rudolf Nieß: Was kostet der Spaß eigentlich?

Herr Politis: (vorsichtig) Wir habe diese Woche ein Sondersparangebot zum Aktionspreis. Wir geben 20 Prozent Rabatt auf alle Küchen über 1.200 Euro. Deshalb kostet die Net Cuisine 3025 heute nur noch 18.999 Euro.

Herr Rudolf Nieß: (pfeift beeindruckt)

Herr Politis: (beeilt sich, den Kunden milde zu stimmen) Aber sehen Sie, was Sie für das Geld bekommen! Eine Mahagoni-Arbeitsplatte aus chinesischem Granit …

Herr Rudolf Nieß: Also eigentlich bevorzuge ich ja Dinge aus einheimischer Produktion.

Frau Rudolf Nieß: Ach nun lass doch Schatz! Weißt Du, wie viel so eine Platte kosten würde, wenn sie aus Deutschland käme?

Herr Politis: Die Küche wäre dann deutlich teurer. Und sehen Sie sich den Kühlschrank an! Er ist voll vernetzt! Wenn Sie etwas in den Kühlschrank stellen, scannt ein Sensor das Etikett und wenn dann zum Beispiel die Butter alle ist, teilt Ihnen der Kühlschrank das über Facebook mit.

Frau Rudolf Nieß: (begeistert) Das ist ja toll!

Herr Rudolf Nieß: Aber wir haben doch gar kein Facebook!

Herr Politis: Macht doch nichts! Wir können Sie gleich hier registrieren. Das ist natürlich ein kostenloser Service unseres Hauses. Ist sozusagen im Preis inbegriffen.

Frau Rudolf Nieß: (noch begeisterter) Das ist ja toll! So etwas nenne ich mal Service.

Herr Rudolf Nieß: Hmmm …

Herr Politis: Das ist noch längst nicht alles!

Frau Rudolf Nieß: (erstaunt) Nein?

Herr Politis: Nein, der Kühlschrank kann noch viel mehr. Er weiß, wann die Lebensmittel abgelaufen sind und ruft Sie auf Ihrem Handy an.

Herr Rudolf Nieß: Na hoffentlich nicht nachts um zwei!

Frau Rudolf Nieß: (murmelnd) Ganz wichtig: Nach dem Schäferstündchen nicht das Handy beim hübschen Nachbarn liegen lassen! Sonst weiß seine Gattin Bescheid.

Herr Politis: Ist das nicht toll?

Herr Rudolf Nieß: Na ja …

Frau Rudolf Nieß: Und wenn ich etwas eigenes in den Kühlschrank stelle?

Herr Politis: (zeigt auf ein Display an der Kühlschranktür) Schauen Sie hier! Exklusiv und nur bei Küchen-Herbert wurde dieser Kühlschrank in Zusammenarbeit mit einem großen amerikanischen Computer- und Handyhersteller entwickelt. An diesem Display geben Sie einfach ein, was Sie in den Kühlschrank stellen. Egal, was Sie hineinstellen. Einen Teller Bohnensuppe zum Beispiel. Anhand Ihrer Eingabe errechnet der Minicomputer im Kühlschrank dann das Haltbarkeitsdatum Ihres Lebensmittels.

Herr Rudolf Nieß: Warum sprechen Sie plötzlich wie eine Fernsehwerbung?

Herr Politis: Was? Wie bitte?

Frau Rudolf Nieß: Das ist ja toll! Was die moderne Technik nicht alles kann!

Herr Politis: Ja, nicht wahr? Die moderne Technik macht fast alles möglich.

Frau Rudolf Nieß: Aber ich verstehe es immer noch nicht. Wie wird das Wasser heiß, wenn die Herdplatte kalt bleibt?

Herr Rudolf Nieß: Aber die Hauptsache ist doch, DASS das Wasser heiß wird und nicht wie.

Herr Politis: (schnell das Thema wechselnd) Und sehen Sie hier, der Backofen. Voll vernetzt.

Frau Rudolf Nieß: Ich glaube, ich weiß es! Er schickt mir eine E-Mail, wenn der Kuchen fertig ist.

Herr Politis: Äh, nein. Aber sehen Sie mal (holt sein iPhone aus der Tasche): Sie können den Backofen vom iPhone aus steuern. Wir haben die Küche ja in Zusammenarbeit mit einem großen amerikanische Computer- und Handyhersteller entwickelt. Sie rufen einfach die Net Cuisine App auf und schon können Sie zum Beispiel den Ofen anschalten. Das geht auch über das Internet. Wenn Sie dann von der Arbeit zurückkommen, ist der Ofen vorgeheizt und Sie müssen nur noch die Pizza reinschieben.

Frau Rudolf Nieß: (überrascht) Neeein!

Herr Politis: Doch! Ist das nich toll?

Frau Rudolf Nieß: Ja! Also das ist ja wirklich … Also … Ja wirklich, das ist toll, was die moderne Technik so kann.

Herr Rudolf Nieß: Ja, aber was soll denn die Küche kosten?

Herr Politis: (vorsichtig) Also diese Küche ist absolut jeden Cent wert. Sie bekommen absolute Hightech für nur 19.000 Euro.

Herr Rudolf Nieß: (schluckt) Oh!

Herr Politis: Aber schauen Sie mal! Das ist modernste Technik! Der Herd kocht fast von alleine, Sie müssen nur daneben stehen und ab und zu umrühren! Und der Backofen erst! Einmal vorgeheizt können Sie alles darin zubereiten. Sie können Pizza backen, Kuchen, Kekse ... Sogar die Weihnachtspute können Sie darin zubereiten. Ein echter Allround-Ofen. Und das beste: Er funktioniert auch mit Öko-Strom. Sie brauchen also keine Angst vor der Energiewende zu haben, Sie sind vorbereitet.

Herr Rudolf Nieß: Aber 19.000 Euro …

Frau Rudolf Nieß: (klimpert ihren Gatten verheißungsvoll mit den Augen an) Ach Schatzi! Biiiiiitte! Die Küche ist so schön pink!

Herr Rudolf Nieß seufzt, Herr Politis lächelt, den Vertragsabschluss vor Augen.

Vorhang

2. Aufzug

Ein Bühnenhelfer tritt vor den Vorhang und hält ein Schild mit der Aufschritt „1 Stunde später” in die Höhe.

Der Vorhang hebt sich, Herr Politis ist im Verkaufsgespräch mit einem jungen Mann, Herrn Frank Salzberg und preist die Küche in gewohnter Weise an.

Herr Frank Salzberg: Ich brauche keine integrierte Microwelle.

Herr Politis: Ja, aber sehen Sie...

Herr Frank Salzberg: Ich sehe. Aber wenn die Microwelle kaputt ist, will ich mir im normalen Elektronikfachhandel eine neue holen können, die dann bei gleicher Leistung 1/5 kostet. Granitarbeitsplatte? Das haut mit der Statik nicht hin, die ist zu schwer.

Herr Politis: Schauen sich den Farbkatalog an. DIESE Küche gibt es ich 378 Farben! Das haben Sie bei keinem anderen Modell.

Herr Frank Salzberg: Ich brauche die Küche aber nur in einer Farbe.

Herr Politis: Ja, nur schauen Sie doch! So viele Farben, aus denen Sie sich eine Farbe aussuchen können.

Herr Frank Salzberg: Weiß.

Herr Politis: Oh, in weiß gibt es diese Küche leider nicht. Ist auch unpraktisch. Man sieht jeden Fleck.

Herr Frank Salzberg: Ist denn die Küche nicht abwischbar?

Herr Politis: Schon, aber da leidet die Farbe. Sie sollten also darauf verzichten. Und schauen Sie, Sie können die ganze Küche mit Ihrem iPhone bedienen.

Herr Frank Salzberg: Ich habe kein iPhone.

Herr Politis: Was? Das hat doch aber jeder heutzutage! Oder wenigstens ein iPad!

Herr Frank Salzberg: Ich nicht.

Herr Politis: Nun, voraussichtlich soll es möglicherweise diese App eventuell schon demnächst unter Umständen auch für Android und Blackberry geben.

Herr Frank Salzberg: Und Windows Phone?

Herr Politis: Äh ... Ich weiß nicht. Haben Sie etwa ein Windows Phone-Handy? Wie ist das so?

Herr Frank Salzberg: Nein, habe ich nicht. Hab ein einfaches altes Nokia. Will ja nur telefonieren.

Herr Politis: Kein Smartphone? Aber man braucht doch ein Smartphone! Sonst können Sie ja auch die Küche nicht fernbedienen. Sehen Sie mal hier, wir können Ihnen da ein gutes Angebot machen ...

Herr Frank Salzberg: Ich will die Küche ja auch nicht fernbedienen.

Herr Politis: Aber wenn Sie nach der Arbeit heimkommen, können Sie den Ofen schon vorheizen und wenn Sie dann da sind, muss nur noch die Pizza rein.

Herr Frank Salzberg: Wenn ich nach der Arbeit heimkomme, bringe ich mir eine Pizza vom Italiener um die Ecke mit.

Herr Politis: Oh ... Aber schauen Sie hier! Der Kühlschrank ruft Sie auf Ihrem Handy an wenn ...

Herr Frank Salzberg: Der Kühlschrank soll sich unterstehen, mich anzurufen. Außerdem habe Sie die Küche nicht in weiß, sie kommt also nicht in Frage.

Herr Politis: Hmmm ... Aber diese Küche ist zukunftsweisend ... Sie ist ökostromkompatibel.

Herr Frank Salzberg: Sie hat einen extra Stecker für Ökostromsteckdosen?

Herr Politis: Besser noch: Jedes einzelne Gerät hat seinen eigenen Stecker!

Herr Frank Salzberg: Und die Geräte filter Nichtökostrom automatisch raus und benutzen diesen nicht? Erkennen die Geräte sogar Atomstrom an seiner Strahlung?

Herr Politis: Äh ... ich weiß nicht ... Ich glaube, ja ... Warten Sie, ich frage nach … (ab)

Der Bühnenhelfer tritt vor das Publikum und hebt ein Schild mit der Aufschrift „10 Minuten später”. Herr Politis betritt den Verkaufsraum und sieht Herrn Salzberg im Gespräch mit Fräulein Ramona Koch.

Herr Frank Salzberg: Und die Geräte sind inklusive?

Fräulein Ramona Koch: Alle elektrischen Geräte sind im Preis inbegriffen.

Herr Frank Salzberg: Obwohl es keine Einbaugeräte sind?

Fräulein Ramona Koch: Ja.

Herr Frank Salzberg: Und die Küche kostet gerade 1.500 Euro?

Fräulein Ramona Koch: Nicht einen Cent mehr. Und am Freitag wird sie schon bei Ihnen aufgebaut.

Herr Frank Salzberg: (nickt und unterschreibt den Kaufvertrag) Sie tragen keinen Ring. Vielleicht wollen Sie mir die Funktion der Küche am Samstag bei mir erklären? Um acht?

Fräulein Ramona Koch: Gerne, natürlich! Haben Sie einen besonderen Wunsch bezüglich des Essens?

Herr Frank Salzberg: Ach, da bin ich nicht festgelegt. Ich hoffe, meine Frage war nicht zu perönlich für Sie, Fräulein … äh … Koch.

Fräulein Ramona Koch: Aber ganz und gar nicht! Ich möchte doch, dass Sie unser Haus als befriedigter Kunde verlassen.

Vorhang


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